Obstbau in kleinen Gärten

Die Zeit der Hoch- und Halbstämme ist vorbei. Meist auf eine stark wachsende Unterlage veredelt beansprucht ein solches Exemplar mit einer Länge der unteren Leitäste von 5 m und mehr locker eine Fläche von 100 qm. Aus vielerlei Gründen ist so inzwischen eine Rekonstruktion des Baumbestandes in sehr vielen Gärten unumgänglich. Allerdings sind dafür meist mehrere Jahre erforderlich. Ein größerer Baum als Schattenspender wird jedoch auch weiterhin seine Bedeutung behalten.

Jede Neupflanzung von Obstgehölzen erfordert eine wohldurchdachte Vorbereitung. Erfolgt die Auswahl der Gehölze nur oberflächlich oder deren Einordnung in die Gartengestaltung unzweckmäßig, machen sich die Folgen schon nach wenigen Jahren in fataler Weise bemerkbar.

Zuerst muss man sich darüber klar sein, an der Stelle eines gerodeten Baumes nicht wieder einen Baum der gleichen Arten-Gruppe zu pflanzen. Dazu gilt die alte Faustregel: Kernobst nach Steinobst und umgekehrt, aber nie nach sich selbst!

Zweitens steht die Überlegung, mit welchen Methoden auch auf einer kleinen Fläche effektiver Obstbau betrieben werden kann. Als effektiv ist hier zu verstehen: standortgerechte widerstandsfähige Obstarten und –sorten mindern die Pflegemaßnahmen, besonders Zusatzbewässerung und Pflanzenschutz ; wenig zu Alternanz neigende Sorten tragen fast jährlich; begrenzte Kronenhöhe auf etwa 4 m erleichtert die Pflege und Ernte erheblich, da fast alles vom Boden aus ausgeführt werden kann und lange Leitern nicht mehr benötigt werden.
Dem Hobbygärtner stehen verschiedene Methoden zur Auswahl, die man natürlich auch
beliebig kombinieren kann.

Schwach oder mittelstark wachsende Unterlagen führen dazu, dass das Holz nicht zu stark wächst und die Krone nicht zu groß wird, wie es bei allen noch vorhandenen Hochstämmen zu sehen ist. Der Platzbedarf ist geringer. Diese Kleinkronigkeit in Verbindung mit einer Stammhöhe von max. 80 cm (also Nieder- oder Viertelstamm) erfordert auch einen geringeren Schnittaufwand. Möglich ist das durch die geringere Dimension der Krone sowie die leichtere Erreichbarkeit der Äste und Zweige. Wer sich in dem Fragenkomplex „Unterlagen bei Obstbäumen“ nicht auskennt, sollte dazu unbedingt eine Beratung in der Baumschule bzw. im Fachhandel erbitten, denn ein Obstbaum soll mehrere Jahrzehnte genutzt werden und den Hobbygärtner erfreuen..

Mehrsortenbäume ermöglichen eine größere Sortenpalette. Die Baumschulen bieten solche Bäume an. Man kann aber auch selbst Veredelungen mit gewünschten Sorten, für die man sich Edelreiser besorgt hat, vornehmen oder vornehmen lassen.

Spalier oder schmale Hecke bieten den Vorteil, die Krone der Gehölze schmal erziehen zu können. Dabei wird die Krone nur in die Höhe und nach zwei Seiten geleitet. Zweckmäßigerweise kombiniert man bei diesen Formen den Schnitt mit dem Binden der Zweige. Die Erziehung zum Spalier ist sowohl an einer Wand (Mauer, Laube) als auch frei möglich und erfolgt meist an einem geeigneten Gerüst. Beide Formen eignen sich gut entlang von Gartenwegen oder der Grundstücksgrenze.

Säulenbäumchen nehmen den geringsten Platz ein und können selbst einen ganz kleinen Platz von nur 1 qm noch für den Obstbau nutzen. Diese Baumform wird von den Baumschulen für verschiedene Obstarten angeboten. Die bestechenden Fotos in den Katalogen großer Versandbaumschulen lassen in der Baumform keine Unterschiede zwischen den Obstarten erkennen. Prof. Dr. M. FISCHER vom Institut für Obstzüchtung Dresden- Pillnitz weist dazu jedoch auf folgendes hin:

( 1 ) Echte Säulenbäume gibt es nur für Apfelsorten einiger Obstzüchter. Sie sind aus einer Mutante (spontane genetische Veränderung ohne menschlichen Einfluss) entstanden, verzweigen sich nicht oder nur ganz wenig, sind dicht beblättert und ebenso dicht mit Früchten besetzt. Deshalb ist hier tatsächlich kaum ein Schnitt erforderlich, außer der Höhenbegrenzung nach Wahl. Außerdem sind die in der sogenannten ersten Generation als „Ballerina- Bäumchen“ (benannt in Anlehnung an die schlanke Figur von Balletttänzerinnen, den Ballerinen) angebotenen Sorten Bolero, Obelisk, Polka und Waltz hochgradig anfällig für Schorf und alternieren 100 %. Die neuen Sorten Campanilo, Cats, Ginover u. a. zeigen nur geringe Anfälligkeit für Schorf und weniger Alternanz.

( 2 ) Von allen anderen Obstarten gibt es noch keine echten Säulenbäume. Es wurden Sorten ausgesucht, die besonders steil und kompakt wachsen sowie sich wenig verzweigen. Hier ist Schnitt unbedingt notwendig.

Eine Falschwerbung kann man den Versandbaumschulen jedoch nicht vorwerfen. Im Werbetext
für diese Sorten heißt es nämlich so oder ähnlich:

Für „Ballerina- Superschlanke Säulenäpfel… entfällt der Rückschnitt, da keine Seitentriebe gebildet werden“.

Für „Superschlanke Obstbäume mit eleganter Säulenoptik… ist geringer Pflegeaufwand erforderlich“.

Mit diesen Formulierungen wird, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar, zwischen Apfel und anderen Obstarten klar unterschieden- man muss es nur genau lesen!

Zwergbäume runden die Palette ab und sind ebenfalls für verschiedene Obstarten im Angebot. Allerdings können solche Bäume durchaus bis zu 4 m Höhe erreichen, werden aber trotzdem noch als Zwerge bezeichnet. Alle Zwergformen sind jedoch nach Prof. FISCHER sehr empfindlich und erfordern „obstbauliches Fingerspitzengefühl“. Man sollte also dazu schon einige Erfahrungen aus dem traditionellen Obstbau mitbringen. Die Baumschulen empfehlen Zwergbäume besonders zur Bepflanzung von Kübeln für Terrasse oder Balkon, weniger für das Freiland. So gesehen sind die Zwergfomen mehr eine Liebhaberei als effektiver Obstbau.

Für alle beschriebenen Verfahren gilt: Nur pflanzen und danach auf reiche Ernte warten wird in keinem Fall funktionieren. Sich mindestens gewisse Grundkenntnisse anzueignen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Projekt gelingt und man auch viele Jahre echte Freude daran hat.
Siehe PDF

Dr. Manfred Willkommen, Frankfurt (Oder), 8/08

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